Ein Blick auf die Geschichte dieses Hauses reicht weit zurück, denn die Stadt Ulm darf behaupten, das älteste Stadttheater Deutschlands zu besitzen. Früheste Belege berichten von Theateraufführungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts, wobei davon ausgegangen wird, dass auch davor bereits szenische Darstellungen stattgefunden haben.
Furttembachs Theatrum
Eine theaterhistorisch über die Stadt hinaus wichtige Vorläufer-Institution des heutigen Theaters war das Theatrum nach Florentiner Art. Der bekannte Architekturtheoretiker und Ulmer Stadtbaumeister Joseph Furttenbach konnte das Theatrum nicht nur in Büchern propagieren, sondern als Modell für deutsche Verhältnisse 1641 auch selbst in Ulm verwirklichen. Furttenbachs Bühne war das älteste stehende öffentliche Theater für gastierende Wandertruppen, in welchem aber auch Schulkomödie gegeben wurde. Dieser auf dem Binderhof beim ehemaligen Dominikanerkloster in einer Kornscheuer errichtete Zweckbau verfügte bereits über Vorhang und Orchestergraben. Für das Publikum gab es zunächst 600 aufsteigende Sitz- und 150 Stehplätze, die bereits 1650 auf 1000 Plätze aufgestockt wurden. Der religiöse Themenkreis, der den Schülern des Gymnasiums und seit Ende des 17. Jahrhunderts auch dem im Wengenstift der Augustiner-Chorherren praktizierten Schultheater zur szenischen Darstellung oblag, wurde von den durchreisenden Komödianten, darunter auch englische Schauspielergesellschaften, durchbrochen. Volkstümlich lustige Stücke mit Tanzeinlagen, begleitet von herrlicher guter Musica (wofür die englischen Komödianten besonders bekannt waren), fanden in Ulm schon früh ein begeistertes Publikum, ebenso wie spätere Tragödien von Shakespeare.
Die entscheidende Frage, ob das einst reichsstädtische Theater nun als staatliche oder städtische Institution anzusehen sei, wurde 1804 von der Landesdirektion in letzterem Sinne beantwortet. Zunächst wurde das Ulmer Theater weiterhin von wandernden Schauspielergesellschaften bespielt, die häufig die geforderten Abgaben nicht zahlen konnten und unter Hinterlassung von Schulden die Stadt verließen. 1834 gelang es dem tüchtigen Theaterdirektor Johann Dardenne durchzusetzen, dass seine Gesellschaft über 13 Jahre hinweg ständig in Ulm spielen durfte. Die Stadt bewilligte ihm darüber hinaus jährliche Subventionen und der Staat statt des erbetenen Zuschusses eine Steuerermäßigung. Die seit den Zeiten Dardennes regelmäßig in den Zeitungen erscheinenden Theaterkritiken förderten zudem einen engeren Kontakt zwischen Publikum und Schauspielern, was sich günstig auf die Besucherzahlen auswirkte. Ähnlichen Geschäftssinn bewies einer der späteren Direktoren, Franzmüller, indem er 1858 erstmals die wirtschaftlichen Möglichkeiten eines auswärtigen Gastspiels in Biberach nutzte.
Größere Renovierungen vor der Jahrhundertwende
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Theater immer wieder aus- und umgebaut, vor der Jahrhundertwende fanden erneut größere Renovierungen statt. Ulm kam als Startplatz für ungewöhnliche Sängerkarrieren ins Gespräch und ein Talentsucher für die deutsche Oper, der Hamburger Stadttheater-Direktor Pollini, fand sich ein. Die jetzt unter anderem eingerichtete elektrische Beleuchtung brachte den Vorteil, dass bei den nach und nach requisitenfreier werdenden Inszenierungen auch mit Lichteffekten gearbeitet werden konnte.
Schwere Besatzungsschäden im Spanischen Erbfolgekrieg hatten dieses Haus seit 1702 unbespielbar gemacht, und der Ulmer Rat stellte ab 1712 das Gebäude für die Unterbringung der städtischen Kutschen als Ausweichort zur Verfügung. Der Komponist, Musiker und Journalist Christian Friedrich Daniel Schubart, der diese Umstände und die Geringschätzung des Schauspielerberufes kritisierte, schlug 1776 die Einrichtung eines ständigen Theaters in einem angemessenen Neu- oder Umbau vor. Die Idee eines Nationaltheaters war geboren, die zunächst am eisernen Nein der damals in einer ernstlich bedrängten finanzwirtschaftlichen Situation befindlichen reichsstädtischen Obrigkeit scheiterte. Vier Jahre später, 1780, gab der Ulmer Rat einer Eingabe verschiedener kreisständischer Vertreter nach, die eine Neuausstattung des von ihnen großzügig als Komödienhaus bezeichneten, teils sogar schon brüchig gewordenen Gebäudes nachdrücklich gewünscht hatten.
Komödienhaus nach einem Entwurf von Kaim
Mit seinem 1780/81 auf den neuesten theatertechnischen Stand der Zeit gebrachten am 20. November 1781 neu eröffneten Komödienhaus errichtet in der Grasgasse (später Theatergasse, östlich der Frauenstraße) auf den Überresten des einstigen Kutschenhauses erhielt Ulm eine Spielstätte zur Entwicklung eines für deutsche Mittelstädte im 19. Jahrhundert typischen Theaterbetriebes. Das Gesamtprojekt für Umbau und Neuausstattung, das in seiner Grundform bis 1944 das Ulmer Stadttheater bleiben sollte, wurde von dem Premiermaschinisten Kaim aus Stuttgart, sozusagen dem technischen Theaterdirektor Herzog Karl Eugens von Württemberg, entworfen. Der Hauptschmuck dieses relativ schlicht gehaltenen Theatergebäudes war der von Viktor Wilhem Peter Heideloff gemalte Vorhang mit allegorischen Darstellungen der Theatermusen.
Die Erweiterungs- und sogar Neubauvorschläge für das Theater nach der Jahrhundertwende liefen mit Hereinbrechen des Ersten Weltkriegs weitgehend ins Leere. Man schätzte sich glücklich, den regelmäßigen Spielbetrieb 1919 überhaupt wieder aufnehmen und ein Jahr später sogar Oper und Operette ins Programm integrieren zu können, wodurch die Anstellung eines eigenen Orchesters erforderlich wurde. Die wirtschaftlich besonders schwierigen zwanziger Jahren ließen immerhin eine bedeutende Erweiterung des Hauses (1923/24) zu.
Im Zuge der allgemeinen Mobilmachung im Zweiten Weltkrieg wurden zum Ende der Spielzeit 1943/44 alle deutschen Theater geschlossen. Ehe das der Bürgerschaft ans Herz gewachsene Haus mit so viel künstlerischer Atmosphäre beteiligt an allen klimatischen Veränderungen der deutschen Theaterlandschaft seit Klassizismus und Frühromantik dem Bombenhagel des Luftkrieges am 17. Dezember 1944 und vollends am 1. März 1945 zum Opfer fiel, war der Vorhang hier schon am 24. Juni 1944 nach der endgültig letzten Vorstellung gefallen.
Ausweg 1945: Theater in der Wagnerschule
Als das Theater im Herbst 1945 wieder eröffnet wurde, geschah dies auf der unabhängigen Basis einer Künstlergemeinschaft, für die der spätere Intendant Alfred Mendler von der Besatzungsmacht die Lizenz erhielt. Von der Stadt wurde ihm mit der Turnhalle der Wagnerschule eine der beiden intakt gebliebenen städtischen Hallen überlassen. Dieses Interimstheater blieb bis zur Einweihung des Neubaus 1969 in Betrieb. Das 1950 hinzugekommene Experimentier-Studio Podium, mehrfach auf Wanderschaft, längere Zeit in der früheren Max-Wieland-Galerie (Olgastraße), wurde zum avantgardistischen Vorposten des nach 1945 (bis zum Einzug ins neue Haus) Städtische Bühne genannten Ulmer Theaters.
Die moderne Stadt erhielt einen wichtigen äußeren Markierungspunkt, als im Herbst 1969 der Theaterneubau (errichtet nach den Plänen und unter der Leitung des Ulmer Architekten Fritz Schäfer) an der Olgastraße mit 817 Sitzplätzen vor der Hauptbühne und bis zu 200 Sitzplätzen im Untergeschoss Studiotheater Podium eröffnet werden konnte. Das vor mehr als 200 Jahren eröffnete Stadttheater mit kontinuierlicher Spieltradition präsentiert sich in seiner heutigen Bauform als Sechseck-Raumgefüge ein für Schauspiel, Oper, Operette, Musical, Ballett, Konzerte und unterschiedliche auch experimentelle Theaterformen besonders variables Haus in dieser Größenordnung.
Zu Beginn der Spielzeit 2006/07 wurde das Haus von Ulmer Theater in Theater Ulm umbenannt. Seit 2008 und in den acht Folgejahren werden jeweils in der Sommerpause Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten vorgenommen, die neben der Beseitigung baulicher Mängel auch die Technik auf den neuesten Stand bringen werden. In der Theaterdebatte, die im Gemeinderat im Sommer 2010 geführt wurde, hat sich die Politik trotzt schwieriger finanzieller Zeiten einhellig zum Fortbestand des Theaters Ulm als Dreisparten-Haus ausgesprochen.
Theater Ulm
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